Abt.: Gottesstaat
In der Kirche
In der Kirche... oder? Sind Sonderrechte für Sekten zeitgemäß?
Das Urteil des Verfassungsgerichts wirft natürlich Fragen auf.
Was ist passiert? Das Verfassungsgericht hat vorinstanzliche Urteile aufgehoben, die einer Bewerberin auf eine Stelle bei der Diakonie eine Entschädigung wegen Diskriminierung zugesprochen hatten. Die konfessionslose Bewerberin war trotz hervorragende Qualifikationen zugunsten eines kirchlichen Bewerbers mit weniger guten Voraussetzungen abgelehnt worden.
Wie gesagt, das wirft Fragen auf.
Trennung von Staat und Kirche
Ein bisschen getrennt sind Staat und Kirche bei uns ja schon. Aber nicht so ganz und überall. Klar, der Bischof steht nicht über dem Ministerpräsidenten. Und niemand ist gezwungen, einer Kirche anzugehören. Niemand muss Kirchensteuer zahlen, so lange er nicht in der Kirche ist.
Und dann? Dann gibt es eine ganze Menge Ausnahmen, wo die Trennung nicht so ganz funktioniert. Wo die Kirche vom Staat zugesicherte Sonderrechte hat.
Benachteiligt werden
Niemand darf auf Grund seiner [...] Religion [...] benachteiligt werden.
So steht das im Grundgesetz. Und zwar nicht unter ferner liefen, sondern recht prominent.
Wenn jetzt jemand aufgrund seiner Religion oder nicht Religion eine Job nicht bekommt, was ist das dann? Doch eigentlich eine klare Benachteiligung. So sehe ich das. Wie seht ihr das?
Das Verfassungsgericht stellt jedoch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht über das Grundgesetz. Irgendwie ganz schön Mittelalter. Findet ihr nicht.
Sicht auf Menschenrechte
Aus der Begründung des Verfassungsgerichts:
Die spezifisch christliche Sichtweise des Beschwerdeführers habe der Stelleninhaber glaubwürdig und authentisch darlegen müssen. Insoweit wirke sich aus, dass sich das christliche Verständnis der Menschenrechte von dem säkularen Ansatz, den viele der anderen an der Berichterstattung beteiligten Nichtregierungsorganisationen verträten, unterscheide, was maßgeblichen Einfluss auf die Positionen der Kirche zu Antirassismusfragen habe.
Ist denn das christliche Verständnis der Menschenrechte ein anderes, als das universelle, das in den Vereinten Nationen, der Europäischen Menschenrechtskonvention oder dem Grundgesetz niedergelegt ist? Sind die Menschenrechte nicht extra nieder geschrieben worden, weil es dazu keine unterschiedlichen Verständnisse zu geben hat? Die extra verfasst wurden, damit nicht etwa Religionsgemeinschaften das mit der Religions- und Glaubensfreiheit nach Gutdünken handhaben können?
Würde ich überhaupt wollen
Abschließend stellt sich mir die Frage, ob ich bei einem Arbeitgeber, der mich so überhaupt nicht haben will, wirklich anheuern möchte. Da lauert doch die Benachteiligung wegen fehlender Religion tagtäglich und hinter jeder Ecke. Ich wüsste nicht, ob ich mich auf meine Arbeit konzentrieren könnte, wenn ich mich fortlaufend ob meiner Konfession rechtfertigen müsste.
Natürlich könnte ich mich darauf verlegen, jeden schiefen Blick gerichtlich in eine Entschädigung umwandeln zu lassen. Aber will ich das?
[bundesverfassungsgericht.de]: Kirchenmitgliedschaft als Einstellungsvoraussetzung